Die FREIEN BAUERN, Interessenorganisation der bäuerlichen Familienbetriebe, haben Bundesfinanzminister Christian Lindner vorgeworfen, die Landwirtschaft einseitig mit steigenden Steuern zu belasten und die Öffentlichkeit darüber gezielt zu täuschen. „Natürlich führt der im März diesen Jahres gegen alle Proteste durchgedrückte Wegfall der Agrardiesel-Rückerstattung zu höheren Kraftstoffsteuern für unsere Betriebe, genauso wie die kürzlich beschlossene Absenkung der Vorsteuerpauschale viele Betriebe mit höheren Umsatzsteuern belasten wird“, kritisiert Peter Guhl von der Bundesvertretung der FREIEN BAUERN. Dass Lindner Steuererhöhungen in der Vergangenheit kategorisch ausgeschlossen und sogar als rote Linie für die Regierungsbeteiligung der Liberalen bezeichnet hat, gelte offenbar nicht im Umgang mit dem bäuerlichen Berufsstand, wundert sich der 58jährige Milchviehhalter aus dem mecklenburgischen Vorderhagen und folgert: „Wenn der Finanzminister genau das Gegenteil von dem tut, was er vollmundig behauptet, handelt es sich um einen Steuer-Betrüger.“
Die im Juni vom Bundeskabinett verabschiedete weitere Absenkung der Vorsteuerpauschale von 9,0 auf 7,8 Prozent werde die bisher vor allem von kleinen und mittleren wirtschaftlich soliden Betrieben vorteilhaft praktizierte Pauschalierung bei der Umsatzsteuer praktisch zu Erliegen bringen, befürchtet Guhl: „Mit dem Übergang zur Regelbesteuerung geht nicht nur Liquidität Richtung Staatskasse verloren, die dann erforderlichen mindestens vierteljährlichen Umsatzsteuervoranmeldungen erhöhen zugleich massiv den Verwaltungsaufwand.“ Noch mehr Arbeit am Schreibtisch, noch dazu mit Fristen, die keine Rücksicht auf landwirtschaftliche Arbeitsspitzen nehmen – das sei nicht unbedingt das, was sich Landwirte unter dem von Lindner am 15. Januar vor dem Brandenburger Tor angekündigten Bürokratieabbau vorgestellt haben, merkt Guhl an.
Dass die Ampel bei der Einkommensteuer eine Gewinnglättung über mehrere Jahre einführen will, sehen die FREIEN BAUERN zwar positiv, bemängeln jedoch, dass die Bundesregierung bisher keine ernstzunehmenden Schritte unternommen habe, um überhaupt angemessene Gewinne zu ermöglichen. „Gerade liberale und grüne Agrarpolitiker haben in der Vergangenheit immer unsere Forderungen unterstützt, die Landwirtschaft in der Wertschöpfungskette zu stärken und mehr Wettbewerb durchzusetzen, von alledem ist heute nichts mehr erkennbar“, bedauert Guhl. Weder auf ein Entflechtungsgesetz noch auf die Modernisierung der Milchlieferbeziehungen geschweige denn auf die Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln konnte sich die Koalition verständigen. Guhl: „Sie wollen sich einfach nicht mit dem Großkapital anlegen, aber uns Bauern das Geld aus der Tasche ziehen, das können sie.“