Warum wir unsere Risiken besser selbst managen

Ralf Ehrenberg bewirtschaftet 230 Hektar Acker mit Weizen, Gerste, Hafer, Dinkel, Raps und Zuckerrüben in Ziegenhagen in HessenRalf Ehrenberg bewirtschaftet 230 Hektar Acker mit Weizen, Gerste, Hafer, Dinkel, Raps und Zuckerrüben in Ziegenhagen in HessenDer Sommer 2018 war hart, auch für uns in Nordhessen. Das hat keinen Spaß mehr gebracht und einen schweren wirtschaftlichen Schaden hinterlassen, keine Frage. Wer aber trotz Hitze und Trockenheit einen kühlen Kopf behalten hat, wird nüchtern feststellen: Mit solchen extremen Wetterlagen haben wir Bauern uns seit jeher auseinandersetzen müssen. Unsere Vorfahren haben schon Risikomanagement betrieben, als es das Wort noch überhaupt nicht gab. Deshalb halte ich nicht viel von der Dürrehilfe und deshalb kommen mir auch ganz große Zweifel, wenn die Politik uns heute mit "neuen Instrumenten des Risikomanagements" in unsere Betriebe hineinregieren will.

Fangen wir mit der unsäglichen Dürrehilfe von Julia Klöckner an, die auf einen Hilferuf des Deutschen Bauernverbandes zurückgeht. Ich erinnere mich da an eine Milliarde Euro, aus der nachher schlappe 340 Millionen geworden sind, für die wir jetzt auch noch dankbar sein sollen. Sicher, hätte man diesen Batzen Geld genommen und ihn mit der Gießkanne - eigentlich ein passendes Symbol für die Umstände - flächendeckend über alle Regionen verteilt, wo es signifikant weniger geregnet hat, etwa als Zulage zu den Direktzahlungen: keiner hätte sich beschwert. Aber das wäre wohl zu einfach gewesen. Und so wurde aus der Dürrehilfe ein einzelbetriebliches Antragsverfahren mit vorgeschalteter Schadensanalyse und Bedürftigkeitsprüfung, ein Bürokratiemonster und eine Wettbewerbsverzerrung ohnegleichen, vom Imageschaden ganz zu schweigen.

Bereits die Schadensanalyse war für den einzelnen Landwirt fast nicht zu leisten. An der Berechnung plausibler Schäden wie an dem ganzen Verfahren haben also zunächst einmal die Berater verdient. Völlig unerklärlich, warum man hier nicht auf die vorhandenen meteorologischen Daten zurückgegriffen hat - die sind zwar nicht so genau, aber auch nicht so manipulierbar wie einzelbetriebliche Produktionsergebnisse. Spätestens bei der Bedürftigkeitsprüfung wurde es dann richtig ungerecht, wie das folgende Beispiel veranschaulicht: Drei Ackerbaubetriebe haben 40 Prozent weniger geerntet als im langjährigen Durchschnitt. Der erste hatte wenige Vorkontrakte gemacht, konnte große Teile der Ernte einlagern und dann zu deutlich gestiegenen Preisen vermarkten. Für diesen war es ein normales Jahr. Der zweite hatte die Hälfte der erwarteten Ernte über Vorkontrakte abgesichert, konnte diese knapp erfüllen und musste den kleinen Rest ab Feld zu kaum gestiegenen Preisen verkaufen. Für diesen war es ein richtig schlechtes Jahr. Aber beide kriegen keine Dürrehilfe. Die kriegt nur der dritte Betrieb, denn nur dieser wurde durch die Missernte in seiner Existenz gefährdet, weil er nach waghalsigen Wachstumsschritten mit horrenden Verdrängungspachten und Rundumerneuerung des Maschinenparks die Zahlungsunfähigkeit fürchten muss.

Rund 9.000 Anträge sind eingegangen. Wir haben 270.000 Betriebe. Mehr als 2/3 von Deutschland waren massiv von der Dürre betroffen. Dann haben gerade mal 5 Prozent der von der Dürre betroffenen Betriebe einen Antrag gestellt. Obwohl alle unter derselben Sonne gewirtschaftet haben. Diese Dürrehilfe führt nicht nur zu einer Wettbewerbsverzerrung, sondern auch zu einer völligen Fehlleitung der Mittel: Nicht diejenigen, die sparsam und fleißig gewirtschaftet haben, bekamen das Geld, sondern diejenigen, die aufgrund ihrer Wirtschaftsweise das höchste Risiko eingegangen sind, werden mal wieder vom Staat gerettet. Oder diejenigen, die sich die Zahlen entsprechend hinmanipulieren können, was im Einzelfall niemandem übelzunehmen ist - aber das ist doch keine seriöse Agrarpolitik! Und wir alle, die wir leer ausgegangen sind, müssen uns auf dem Feuerwehrball dumm von der Seite anquatschen lassen: Gib einen aus, Ihr Bauern kriegt es doch mal wieder vom Staat ...

Deshalb möchte ich um Gottes Willen weder nochmal so eine Dürre erleben noch so eine Dürrehilfe, die unserem Berufsstand schwer geschadet hat. Mindestens genau so unsinnig sind allerdings die Alternativen, die gerade im politischen Raum diskutiert werden, von der steuerlichen Gewinnglättung über die staatlich bezuschusste Mehrgefahrenversicherung bis hin zur steuerfreien Risikoausgleichsrücklage.

Ein Gutachten der Agrarprofessoren Hirschhauer und Mußhoff zu neuen Instrumenten des Risikomanagements, das Anfang 2019 im Agrarausschuss des Bundestages diskutiert wurde, kommt zu folgenden Ergebnissen: Die bereits angesichts der Milchkrise 2017 beschlossene steuerliche Gewinnglättung ist hochbürokratisch und weitgehend wirkungslos. Bei der staatlich bezuschussten Mehrgefahrenversicherung bedienen sich zuerst die Versicherungen - das führt zu realen Verlusten für die Landwirtschaft, zumal wenn die Zuschüsse von den Direktzahlungen abgezogen werden. Präferiert wird daher die steuerfreie Risikoausgleichsrücklage. Bis hierhin kann ich den Professoren noch folgen.

Für die Ausgestaltung schlagen Hirschhauer und Mußhoff jedoch vor, dass die Rücklage zwangsweise aus den Direktzahlungen gespeist werden soll, und zwar bei Überschreitung eines durchschnittlichen Einkommensniveaus. Entnahmen werden bei Unterschreitung erforderlich, wiederum mit Sanktionen bewehrt. Weil der Staat besser mit Geld umgehen kann als wir? Noch absurder wird der Vorschlag durch die unbürokratische Verbindung mit einzelbetrieblichen Liquiditätshilfen in extremen Schadensjahren, die als zinslosen Darlehen der Rücklage zugeführt werden. Offenbar soll es also - auch mit steuerfreier Risikoausgleichsrücklage - weiterhin so einen groben Unfug wie die Dürrehilfe geben. Was ist an diesem Modell dann bitte alternativ?

Wenn eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage Sinn machen soll, müssen wir frei entscheiden können, was wir reintun und rausnehmen und wann. Und selbst dann stellt sich die Frage, ob nicht auch das wiederum eine Wettbewerbsverzerrung ist, nämlich zugunsten derjenigen Landwirte, die viele Steuern zahlen. Am Ende sind alle diese mehr oder minder komplizierten Modelle nichts anderes als Einschränkungen unserer unternehmerischen Selbstverantwortung. Vielleicht sollte man sich nochmal vergegenwärtigen, dass die Direktzahlungen nicht nur ein soziales und ökologisches Gefälle zum Weltmarkt ausgleichen, sondern auch bereits gegen Witterungsschwankungen und Marktschwankungen absichern. Wenn die Politik uns unbedingt etwas Gutes tun will, weil sie der Meinung ist, dass durch Klimawandel und Globalisierung unsere Risiken größer werden, warum gibt es nicht einfach auf die Direktzahlungen einen Schlag drauf? Oder wenigstens keinen Abschlag wie geplant? Und wir können als freie Bauern unsere Risiken selbst managen.

Vorsorge treffen die meisten von uns nämlich auch heute schon: Indem wir uns innerlandwirtschaftlich breit aufstellen und Risiken verteilen. Indem wir uns außerlandwirtschaftliche Einkommensquellen erschließen und damit Risiken abfedern. Indem wir in guten Jahren vorrangig investieren in Stabilität - Schulden tilgen, Land kaufen, Gebäude und Maschinen auf einen guten Stand bringen. Indem wir vorsichtig investieren, wenn es um Wachstum geht - nur nicht die hohe Eigenkapitalbasis gefährden. Kurzum, indem wir das machen, was Bauern seit jeher machen: Wirtschaften.