Liebe Landwirte, wir müssen reden. Miteinander, nicht übereinander. Die Facebookisierung ist inzwischen soweit fortgeschritten, dass es nur noch Lager gibt, aber keiner mehr mit dem anderen spricht. Mag sein, dass wir tatsächlich gegensätzliche Interessen haben. Aber so krass sind diese Gegensätze nun auch wieder nicht, dass man in der Praxis nicht doch zu einem vernünftigen Miteinander kommen könnte. Ich schäme mich für die Wirrköpfe, die alle Umweltprobleme ausschließlich den Landwirten in die Schuhe schieben, die angeblich für einen schnellen Profit über Leichen gehen, vor allem über Bienenleichen. Andersherum muss nicht jede Kritik an der aktuell betriebenen Landwirtschaft gleich als grünes Gutmenschentum disqualifiziert werden.
Beim aufmerksamen Blick in die Landschaft, in meinem Fall in die Jülicher Börde hinter Köln, kann ich ein gewisses Unbehagen nicht verbergen. Ich sehe eine bis in den letzten Schlag nahezu perfekte Ackerhygiene. Sattgrün stehen bis zum Horizont sauber und keimfrei Getreide, Rüben und Mais. Von Mitte Juni an gibt es bei uns keine einzige offene Blüte an den Ackerrändern, Feldwegen und - wenn die Stadt mit dem Mulchen hinterherkommt - auch nicht an den Straßenrändern. Keine Nahrung für meine Bienen und andere auf Blüten angewiesene Insekten! Für ein Kilo Honig besuchen Bienen zwischen einer und fünf Millionen Blüten! Zählt doch mal, was bei Euch noch blüht ...
Natürlich ist es unglaubwürdig, ja verlogen, wenn der grüne Vorstadtbürger mit Luxus-Bungalow und SUV durch seine Unterschrift beim Bienen-Volksbegehren mal schnell die Welt retten möchte. Mais ist Mord, Gülle ist Gift und Pflanzenschutzmittel gehören alle verboten - solche Forderungen hört man vor allem von jenen, die sich noch nie ernsthaft mit Landbewirtschaftung und mit der Erzeugung von Lebensmitteln in der Natur auseinandergesetzt haben. Und natürlich ist es mindestens ebenso unerfreulich, wenn von politischer Seite eine solche pauschale Ablehnung der Landwirtschaft noch aufgegriffen und in häufig ungeeignete Symbolmaßnahmen umgesetzt wird wie das Verbot der Saatgutbeize bei Rüben oder die Beschränkungen der Grünlandwirtschaft.
Aber was hindert uns daran, es trotzdem besser zu machen? Wenn ich mir von Euch Landwirten etwas wünschen dürfte, so wären das vor allem folgende Punkte: Grundsätzlich sollten Pflanzenschutzmittel nicht standardmäßig angewendet werden, sondern anlassbezogen - und dabei sollten auch die Nützlinge berücksichtigt werden. Der Einsatz sollte in die Abendstunden verlegt werden, weil dann der Bienenflug beendet ist. Imker in der Nähe sollten informiert werden, damit diese ggf. am Morgen danach den Ausflug verzögern können, bis die Wirkstoffe abgetrocknet sind. Auch das Mähen und Mulchen von stark blühenden Flächen wie etwa Löwenzahnwiesen sollte nicht ausgerechnet in den besten Bienenflugstunden stattfinden - das kostet unnötig viele Bienen das Leben. Spannend finde ich neue Anbausysteme mit blühenden Untersaaten wie zum Beispiel Klee-Mais oder Wick-Gerste, die mitunter gar nicht mal zu großen Ertragsminderungen führen müssen. Hier wünsche ich mir von Euch ein bisschen mehr ackerbauliche Neugier, Dinge auszuprobieren, auch wenn sie gerade nicht durch irgendein Förderprogramm unterlegt sind.
Und wenn ich Euch neidlos versichere, dass Landwirt der wichtigste Beruf der Welt ist, könnt Ihr doch auch zugeben, dass sie nicht alles ist - dass es auch ein Leben neben der Landwirtschaft gibt, zum Beispiel am Feldrain, und dass Bäume, Hecken, Gebüsch, Tümpel, Lesesteinhaufen usw. keine verlorenen Flächen sind, sondern bereichernde Bestandteile einer bäuerlichen Kulturlandschaft, in der auch Niederwild und Insekten ihre Rückzugsräume finden. Teile einer schönen Landschaft, in der wir uns wohlfühlen.
Bienen halten sich nicht an Schlaggrenzen ... und nicht immer helfen Absprachen: auf dem Weg zur Tracht queren meine Bienen im 3-Kilometer-Flugkreis die Schläge von bestimmt 25 verschiedenen Landwirten. Wenn ich Bienen verliere, kann nicht sagen wo, und der Landwirt, der gerade den Weizen spritzt, ist sich auch keiner Schuld bewusst. Tot sind sie trotzdem. Ich will Euch nicht langweilen mit Milbenproblemen aufgrund von durch Pestizide gestörten Brutnesttemperaturen (ist aber Fakt, wegen der längeren Zeit der Puppe in ihrer Zelle) oder mit Bienenschäden durch Fungizide (Bienen sind zwar keine Pilze, aber die Bienenbrut ernährt sich von fermentiertem Pollen). Und es geht mir auch nicht nur um Einstufungen in Gefahrenklassen wie B4 (aber gleichzeitig NN410). Das Problem ist grundsätzlicher: Wir brauchen bei allen wirtschaftlichen Zwängen, die ich kenne und nicht herunterreden möchte, ein Weiterdenken in der Produktion. Wir brauchen nicht wegen, sondern trotz der Öko-Hetze gegen die Landwirtschaft eine sorgsamere Haltung im Umgang mit der Natur.
Und wer sollte dazu befähigt sein, wenn nicht der bäuerliche Berufsstand? Vom Agrarkonzern mit fixer Renditeerwartung, mit gleichförmigen Produktionsverfahren und gleichgültigen Fremdarbeitskräften wird das nicht kommen. Eine bienenfreundlichere Landwirtschaft geht nur mit selbständig denkenden Bauern, die auf eigener Scholle wirtschaften, mit ihren Tieren und Pflanzen leben und sie lieben und die über den Horizont der nächsten Ernte hinaus schauen können!
So verschieden wir auftreten und so wenig wir uns oft mögen, in mancher Hinsicht sind Imker und Landwirte sich doch wieder recht ähnlich: Alles, was neu ist, wird erstmal skeptisch gesehen - und wenn mal was schiefgeht, sind meistens die anderen schuld. Unangenehm sind mir die Auslassungen mancher Kollegen, die mit ihren Schuldzuweisungen Richtung Landwirtschaft vom eigenen Unvermögen ablenken wollen. Imkerei in unserer Kulturlandschaft ist zweifelsohne schwieriger geworden, in einigen Regionen vielleicht sogar unmöglich. Aber nur weil das Imkern gefühlt das neue Töpfern in der Toskana ist, muss man es trotzdem richtig erlernen, heute umso mehr.
Zum Schluss möchte ich mich auch noch bedanken: Bei den Landwirten, mit denen ich seit fast zwanzig Jahren vertrauensvoll zusammenarbeite in der Saatgutvermehrung von Raps, Gemüse und Obst und auch bei der Niederwildhege. Zusammen erreichen wir, dass wir selbst in einer so intensiv genutzten Agrarlandschaft wie der Jülicher Börde auch zukünftig Insekten, Rebhühner, Fasane und Hasen auf den Feldern sehen können! Eins zu eins vor Ort geht das prima! Genau deswegen sollten wir uns nicht auseinander bringen lassen von populistischen Parteipolitikern und Verbandsfunktionären oder kurzsichtigen Betriebsmittelverkäufern und Anwendungsberatern. Lieber miteinander reden als übereinander! Nur Mut, liebe Landwirte!