Schluss mit der ausufernden Veterinärbürokratie

Martin Kugler bewirtschaftet 100 Hektar Acker mit Weizen, Gerste, Raps und Silomais sowie Grünland, hält 50 Milchkühe der Rasse Fleckvieh und pflegt Streuobstwiesen in Steinbach in Baden-WürttembergMartin Kugler bewirtschaftet 100 Hektar Acker mit Weizen, Gerste, Raps und Silomais sowie Grünland, hält 50 Milchkühe der Rasse Fleckvieh und pflegt Streuobstwiesen in Steinbach in Baden-WürttembergUm es gleich klarzustellen: Wir brauchen eine kompetente und schlagkräftige Veterinärverwaltung. Die Kapazitäten dafür müssen vorgehalten werden, um unsere Tierproduktion vor gefährlichen Seuchen zu schützen. Wir können froh sein, dass sich die Gesundheit der Nutztiere in Deutschland, im internationalen Vergleich, auf einem sehr guten Stand befindet: Alle großen volkswirtschaftlich relevanten Seuchen wie MKS, Tuberkulose, Brucelose oder Leukose sind erfolgreich bekämpft und stellen derzeit keine Bedrohung dar. Der exzellente Zustand der Tiergesundheit darf allerdings nicht dazu führen, dass sich die Veterinärverwaltung ständig neue, teilweise widersinnige Tätigkeitsfelder sucht, um ihre Daseinsberechtigung zu rechtfertigen.

Diese zweifelhafte Vorgehensweise hat ihren Ursprung in den BSE-Hysterien um die Jahrtausendwende. Die öffentliche Angst vor einer mysteriösen, angeblich auf den Menschen übertragbaren Rinderseuche gab der Veterinärverwaltung mit einem Schlag völlig neue, weltenrettende Bedeutung. Fachliche Kritik am fehlenden Nachweis der Übertragbarkeit wurde zu keiner Zeit geäußert. Rückblickend müssen wir feststellen: Nach mehr als 20 Millionen von den Bauern zwangsweise bezahlter BSE-Tests gibt es nach wie vor keinen Hinweis darauf, dass BSE durch die Nahrung übertragen wird. Bei den ca. 400 Rindern, die positiv getestet wurden, hat man lediglich gewisse Anhaltspunkte dafür gefunden, dass das untersuchte Rind möglicherweise irgendwann einmal an BSE erkrankt wäre, hätte man es länger leben lassen. Insgesamt wurden nur zwölf Fälle bekannt, wo die Krankheit tatsächlich ausgebrochen war - diese Rinder wären natürlich auch ohne Tests nicht in den menschlichen Verzehr gelangt. Kein Amtstierarzt hat sich nach Feststellung eines BSE-Verdachtsfalls den staatlich angeordneten Bestandstötungen widersetzt, obwohl bei der Tötung dieser Tiere, die alle dasselbe Futter erhalten hatten, regelmäßig kein weiterer BSE-Verdachtsfall festgestellt wurde. Kein Amtstierarzt hat es gewagt, das Friedrich-Löffler-Institut zu kritisieren, als es auf der Insel Riems 56 Kälber erst mit rohem Hirn von in Großbritannien erkrankten Rindern gefüttert und dann ein Kalb nach dem anderen angeblich zu Untersuchungszwecken abgeschlachtet hat, nachdem doch partout keines von ihnen an BSE erkranken wollte.

Dass sie die BSE-Hysterien mit ihren katastrophalen Folgen für die gesamte Rinderhaltung über viele Jahre durch Unterlassung gedeckt hat, ist gewiss kein Ruhmesblatt für die deutsche Veterinärverwaltung.

Aus derselben Zeit stammen die heute noch gültigen Auflagen für die Tierkennzeichnung sowie die digitale Bestandsdokumentation HIT, zunächst eingeführt für Rinder, dann ausgedehnt auf weitere Tierarten. Heute gehört es zu den Hauptaufgaben der Veterinärämter, Kennzeichnung und Dokumentation penibel zu kontrollieren und Verstöße zu sanktionieren. Bei jeder Kontrollmaßnahme der Veterinärämter ebenso wie bei einem Verkauf müssen die damals eingeführten papiernen Tierpässe vorliegen. Dabei ist durch das im Internet verfügbare HIT jedes Rind an jedem Ort anhand der ohnehin erforderlichen Ohrmarken jederzeit identifizierbar. Der Tierpass für Rinder ist heutzutage völlig überflüssig und könnte sofort ersatzlos abgeschafft werden. Dennoch wird ein fehlender Tierpass nach wie vor mit drastischen Sanktionen belegt.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Tierkennzeichnung durch Ohrmarken. Die zu verwendenden großen Kunststoffohrmarken gehen regelmäßig verloren, entweder durch Abbrechen oder, noch schlimmer, durch Ausschlitzen, besonders bei Jungtieren. Vorgeschrieben laut EU-Verordnung 1760/2000 ist aber die Kennzeichnung mit zwei amtlichen Ohrmarken. Die Kontrolle dieser Vorschrift nimmt einen großen Teil der Arbeit der Veterinärämter ein. Schon beim Fehlen einer Ohrmarke werden drastische Sanktionen verhängt, das Fehlen beider Ohrmarken kommt fast schon einem Straftatbestand gleich. Dabei sind Tiere mit einer Ohrmarke völlig problemlos identifizierbar und auch bei zwei fehlenden Ohrmarken lässt sich die Identität eines Tieres in fast allen Beständen zweifelsfrei zu ermitteln.

Gleichermaßen widersinnig ist inzwischen auch die Überwachung bei den Tierarzneimitteln. Hier ist der Tierhalter verpflichtet, ein sogenanntes Bestandsbuch zu führen, in dem alle Anwendungen von Medikamenten, sowohl durch den Tierarzt als auch durch ihn selbst, exakt aufgezeichnet werden. Diese Dokumentation ist für beide Seiten enorm zeitaufwendig und geht zwangsläufig von der Behandlungs- und Betreuungszeit der erkrankten Nutztiere ab - die Tiere sind also die unmittelbar Leidtragenden dieses bürokratischen Verfahrens. Und bei einer Veterinärkontrolle kann damit natürlich nur die Qualität der Dokumentation, nicht jedoch die Qualität der Behandlung überprüft werden. Die Qualität der Dokumentation ist aber völlig irrelevant - weder Tiere noch Verbraucher haben einen Schaden davon, wenn auf dem Papier beispielsweise eine abgegebene Menge mit der angewendeten rechnerisch nicht übereinstimmt, weil ein Rechenfehler unterlaufen ist.

Dass man mit dem Prozedere einem Medikamentenmissbrauch auf die Schliche kommt, ist so gut wie ausgeschlossen, zumal Missbrauch nicht dokumentiert wird. Im Vergleich zu einer aufgeblähten Arzneimitteldokumentation wären verstärkte Rückstandskontrollen beim Fleisch deutlich effektiver. In der Milchviehhaltung wird ohnehin jede Milchanlieferung auf Rückstände untersucht, so dass hier ein Medikamentenmissbrauch definitiv ausgeschlossen ist.

Die heute praktizierte, nahezu kriminaltechnische Überwachung und drastische Sanktionierung der Tierhalter ist nicht nur völlig nutzlos, sondern auch unangemessen, da zu keinem Zeitpunkt Verbraucher- oder Tierschutzinteressen berührt werden.

Und der Regelungswahn geht weiter: Unter dem Deckmantel des Tierwohls wurden mittlerweile zahlreiche Haltungsverordnungen eingeführt, zum Beispiel für Schweine oder Kälber. Darin werden unter anderem Buchten- und Boxengrößen, Spaltenbreiten und Lichtverhältnisse zentimetergenau vorgegeben. Sogleich rücken promovierte Veterinäre an, um mit Lasermessgeräten, Zollstock und Luxmeter das Tierwohl zu ermitteln. Welche Verschwendung an Kompetenz! Denn die in den Verordnungen festgelegten Maße sind weitgehend politische Größen, die letztlich nur mittelbar etwas mit dem Wohlbefinden der Tiere zu tun haben. Besser ein topversorgtes Kalb in einer 5 Quadratzentimeter kleineren Box als ein vernachlässigtes Kalb in einer Normbox. Hier käme dann vielleicht doch noch die Kompetenz der Veterinäre ins Spiel ...

Auch die durch die Veterinärverwaltung zwischenzeitlich veranlassten Zwangsmaßnahmen zur flächendeckenden Bekämpfung vergleichsweise unwichtiger Tierkrankheiten, die damit verbundenen Impfpflichten und Gewebeuntersuchungen sowie das staatlich angeordnete Einsperren des Freilandgeflügels jeden Winter gehören auf den Prüfstand. Für einen Großteil dieser Aktivitäten gibt es keine fachliche Notwendigkeit, für unsere bäuerlichen Betriebe sind sie reine Schikane.

Die Veterinärverwaltung hat nach wie vor eine herausragende volkswirtschaftliche Bedeutung. Ihre Aufgabe besteht darin, in unserem Land Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Bürokratische Planerfüllung nützt niemandem und verleidet am Ende uns Bauern die Freude an unserem Beruf. Deshalb sollte die hohe Kompetenz der Amtstierärzte künftig wieder sachgerecht eingesetzt werden und nicht mehr sinnlos vergeudet für das Ablesen von Ohrmarken.