Der wesentliche Fehler der Düngeverordnung liegt darin, dass sie flächendeckend gilt. Niemand bestreitet, dass es - vor allem in Nordwestdeutschland - Agrarlandschaften mit sehr hoher Viehdichte gibt, in denen deutlich mehr organischer Dünger anfällt als vor Ort sinnvoll verwertet werden kann. Und niemand bestreitet, dass es - vor allem in Ostdeutschland - anonyme Agrarholdings mit gigantischen Größenordnungen gibt, wo allein aufgrund der unübersichtlichen Unternehmensstrukturen eine gewisse Kontrolle angeraten scheint. Aber das ist doch kein Grund, die in neunzig Prozent der Regionen und auf neunzig Prozent der Betriebe funktionierenden Nährstoffkreisläufe mit einem Reglement zu überziehen, das in keinem noch irgendwie nachvollziehbaren Verhältnis zu den theoretischen Gefährdungen durch landwirtschaftlichen Dünger steht.
Natürlich ist der Schutz des Wassers ein hohes Gut, weil wir sauberes Trinkwasser genauso zum Leben und Überleben brauchen wie gesunde Nahrungsmittel. Um solche elementaren inhaltlichen Fragen ging es bei den zurückliegenden Diskussionen um die Düngeverordnung allerdings gar nicht mehr. Maßgeblich für die Novelle waren statt dessen das von der EU gegen Deutschland in Gang gesetzte Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung der Nitratrichtlinie sowie eine hemmungslose Polemik interessierter Kreise gegen die deutsche Landwirtschaft. Gebetsmühlenartig wiederholt von Umweltpolitikern und Naturschutzfunktionären und scheinwissenschaftlich unterfüttert durch Expertisen des Bundesumweltamtes hat diese Propaganda inzwischen Eingang in das Denken großer Teile der ahnungslosen Bevölkerung gefunden. Hinter der geltenden Düngeverordnung steht die abstruse Vorstellung, wir Bauern wären allesamt Brunnenvergifter.
Die EU-Nitratrichtlinie zielt auf eine Verringerung von Gewässerbelastungen aus Stickstoffverbindungen und verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich dazu, gefährdete Gebiete auszuweisen, in diesen Gebieten die Ursachen der Belastungen zu ermitteln und Gegenmaßnahmen festzulegen und diese Maßnahmen alle vier Jahre als Aktionsprogramme nach Brüssel zu melden. Erst im letzten Absatz heißt es: "Die Mitgliedstaaten sind von der Verpflichtung, bestimmte gefährdete Gebiete auszuweisen, befreit, wenn sie die (...) Aktionsprogramme nach den Vorgaben dieser Richtlinie in ihrem gesamten Gebiet durchführen." Warum ein Staat mit fast flächendeckend sauberen Gewässern die Ausnahme von der Regel gewählt hat, ist mir unbegreiflich.
Flächendeckende Gewässerbelastungen jedenfalls können nicht als Grund herangezogen werden, denn die von der Bundesregierung bisher vorgelegten Nitratberichte belegen: Je genauer man sich die Gewässer anschaut, desto sauberer wird das Gesamtbild. Die Verdichtung des Grundwasser-Messstellennetzes von 162 auf knapp 700 Messstellen im letzten Vierjahreszeitraum zum Beispiel hat dazu geführt, dass der Anteil der belasteten Grundwasserkörper von 50 auf 28 Prozent gesunken ist. Während das alte Netz vor allem bekanntermaßen problematische Standorte untersuchte, konnte durch Einbeziehung über die Fläche verteilter normaler landwirtschaftlicher Standorte die prozentuale Belastung deutlich verringert werden ... und es ist noch viel Luft nach oben: Bezogen auf die Messstellendichte belegt Deutschland in der EU nach wie vor einen der letzten Plätze.
Viel interessanter als solche statistischen Spielereien mit dem Grundwasser sind die Ergebnisse beim Oberflächenwasser, denn dort lassen sich erstens unmittelbar die derzeitigen landwirtschaftlichen Einflüsse nachweisen und zweitens resultieren daraus die Grundwasserbelastungen der Zukunft. Oder auch nicht - denn im aktuellen Nitratbericht heißt es zum Oberflächenwasser: "Das Qualitätsziel der Nitratrichtlinie in Höhe von nicht mehr als 50 Milligramm Nitrat pro Liter wurde im Betrachtungszeitraum an allen dargestellten Messstellen eingehalten." Noch Fragen?
Damit will ich nicht die Probleme kleinreden, die insbesondere von bestimmten Betriebsstrukturen in bestimmten Regionen ausgehen. Um etwa im Landkreis Vechta das belastete Grundwasser zu verbessern, müsste das Qualitätsziel nicht nur eingehalten, sondern deutlich übertroffen werden, denn anders lässt sich im Zuge der Grundwasserneubildung kein Verdünnungseffekt erzielen. Leider kann ich dazu mit meinem bäuerlichen Familienbetrieb im Saalekreis nichts beitragen.
Die Düngeverordnung gilt aber sinnloserweise auch für mich wie für die große Mehrheit derjenigen Landwirte, die seit jeher verantwortungsbewusst düngen. Mit ihren Vorschriften über Lagerkapazitäten, Ausbringungsfristen, Einarbeitungstechniken, Aufzeichnungspflichten und Stoffstrombilanzen kostet sie unser Geld und beschränkt, oftmals ohne Fachverstand, unsere Handlungsspielräume: Warum, wenn die Bedingungen stimmen, soll Gülle nicht auch im Winter auf eine geschlossene Pflanzendecke ausgebracht werden? Warum soll Festmist nicht auf Frost gefahren werden, obwohl manche Böden nur dann ohne Schäden befahrbar sind? Als Landwirt habe ich doch selber ein hohes ökonomisches Interesse daran, dass die Nährstoffe nicht verloren gehen, sondern genau bei der Kulturpflanze landen. Und selbst wenn hier und da mal was daneben plempern sollte, ist das doch nichts verglichen mit dem Dreck, den unsere hochentwickelte postindustrielle Gesellschaft durch ihre allseits akzeptierten Konsumgewohnheiten Tag für Tag vorsätzlich in die Umwelt entlässt ...