Die FREIEN BAUERN, Interessenorganisation der bäuerlichen Familienbetriebe, haben die Bundesregierung aufgefordert, angesichts des Gutachtens der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zu einer sachlichen Diskussion über Glyphosat zurückzufinden. „Jetzt hat es Cem Özdemir schwarz auf weiß, dass von dem Wirkstoff bei sachgemäßer Anwendung keine gesundheitlichen Gefahren ausgehen – vernünftigerweise müsste er die Studie zum Anlass nehmen, um mit uns darüber nachzudenken, wie die gute fachliche Praxis ausgestaltet werden kann“, sagte Alfons Wolff, Bundessprecher der FREIEN BAUERN. Das Beharren des Bundeslandwirtschaftsministers auf seinen Verbotsplänen sei ideologisch verblendete Symbolpolitik und genauso wirklichkeitsfremd wie das scheinheilige Gesäusel der Chemie-Lobby, ohne Glyphosat wäre eine klimafreundliche Landwirtschaft unmöglich, bemängelt der 63jährige Landwirt aus dem sachsen-anhaltinischen Hohenthurm: „Guter Ackerbau muss immer auf die spezifischen Anforderungen von Standort, Witterung und Kultur reagieren. Dafür brauchen wir keine vorgegebenen Standardlösungen, sondern eine solide Ausbildung, bäuerliche Erfahrung und unternehmerische Freiheit.“ Obwohl er selbst nur selten Glyphosat auf seinem Betrieb einsetzt, möchte er nicht auf das Mittel verzichten, wenn es beispielsweise darum geht, extrem hohen Unkrautdruck auf einer Fläche in den Griff zu bekommen.
Dass sich Rückstände von Glyphosat mittlerweile in der Umwelt nachweisen lassen, liege nicht an der sparsamen und in der Regel sinnvollen Anwendung von Glyphosat in der deutschen Landwirtschaft, sondern an der nahezu unkontrollierten Einfuhr von südamerikanischem Soja als Futtermittel in die EU, vermutet Wolff: „Durch ihre Abhängigkeit von genmanipuliert glyphosatresistenten Saatgut arbeiten die dortigen Großbetriebe inzwischen mit gigantischen Aufwandmengen. Trotzdem lassen wir die Ware rein, indem der Grenzwert für Glyphosat beim Soja einfach 20.000 mal so hoch angesetzt wird wie beim Trinkwasser – das ist der eigentliche Skandal, der seltsamerweise noch keinem Naturschutzverband aufgefallen ist.“ Die FREIEN BAUERN fordern seit Jahren, die Futtermittelimporte aus Südamerika zurückzufahren, um den Anbau heimischer Eiweißfutterpflanzen und damit eine regional verankerte Nutztierhaltung zu stärken.
Özdemirs Ankündigung, Glyphosat weiterhin verbieten zu wollen, solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass es der Biodiversität schade, belegt nach Wolffs Einschätzung, dass der Minister auch nach bald zwei Jahren im Amt nicht verstanden habe, was Landwirtschaft sei: „Unkrautbekämpfung vermindert immer Biodiversität, das ist der Zweck der Übung, dass sich am Ende die Kulturpflanze durchsetzt, die wir ernten und essen wollen. Das erreichen wir mit Glyphosat oder anderen synthetischen Pflanzenschutzmitteln genauso wie mit Pflug, Egge, Hacke oder Striegel.“ Andererseits habe Landwirtschaft erst die heutige Kulturlandschaft mit ihrem Artenreichtum hervorgebracht, überlegt Wolff. Wenn Özdemir totale Biodiversität wolle, müsse er wohl zurück bis hinter die Zeit vor über fünftausend Jahren, als sich die Menschen von Jägern und Sammlern zu Ackerbauern und Viehzüchtern entwickelt haben.