Die FREIEN BAUERN, Interessenorganisation der bäuerlichen Familienbetriebe, haben vor einer Fehleinschätzung des landwirtschaftlichen Anteils an der Inflation gewarnt. „Die meisten Bauernhöfe haben im laufenden Jahr wieder Gewinne eingefahren, mit denen Betriebsleiter und mithelfende Familienangehörige den Mindestlohn überschreiten“, sagte Jann-Harro Petersen von der Bundesvertretung der FREIEN BAUERN. Das sei auch bitter nötig, um die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Für die Preissteigerung bei Lebensmitteln verantwortlich seien jedoch nicht die hart arbeitenden Bauernfamilien, sondern die Konzerne im vor- und nachgelagerten Bereich, die mit ihrer Marktmacht Wettbewerb verhindern, so der 45jährige Milchviehhalter aus dem schleswig-holsteinischen Tating: „Die Pressemitteilung des Ifo-Instituts von dieser Woche zeichnet deshalb ein Zerrbild der Landwirtschaft als Inflationstreiber, das so nicht stehen bleiben darf.“
In der Veröffentlichung vom 13. Dezember hatte das Institut verlautbart, Unternehmen der Landwirtschaft hätten die gestiegenen Kosten zum Vorwand genommen, durch eine Erhöhung der Absatzpreise auch ihre Gewinnsituation zu verbessern, kritisiert Petersen: „Allein diese Formulierung offenbart eine totale Unkenntnis von der Situation in der Wertschöpfungskette, wo uns Bauern oligopole Marktpartner gegenüber stehen, die über weite Strecken die Preise diktieren können“. Das Preisniveau an der Supermarktkasse habe vor allem damit zu tun, dass Landhandel, Molkereien, Schlachthöfe und vor allem der Lebensmitteleinzelhandel gigantische Umsatzsteigerungen realisiert haben. Wer die Folgen dieser Entwicklung für Verbraucherinnen und Verbraucher abmildern wolle, müsse endlich die Entflechtung der Konzerne angehen, fordert Petersen: „Die FREIEN BAUERN haben hierfür Vorschläge an die Regierungsparteien herangetragen, aber bislang leider nur Desinteresse geerntet.“
Fraglos habe die Landwirtschaft die Auswirkungen der weltweiten Energiekrise besser überstanden als andere Branchen, räumt Petersen ein. Dies dürfe jedoch den Blick nicht dafür verstellen, dass die Einkommenssituation auf den Bauernhöfen nach wie vor schwierig sei, insbesondere bei den Ferkelerzeugern und Schweinemästern. Nicht umsonst hätten in den vergangenen zehn Jahren mehr als 30.000 Betriebe aufgegeben. Petersen: „Dieses dramatische Höfesterben muss aufhören, dafür brauchen wir bessere Preise und keine Almosen vom Staat.“ Die augenblickliche Erlössituation zeige, dass die in Deutschland vorherrschende bäuerliche Landwirtschaft auch in Krisensituationen stark ist und ihre wichtige gesellschaftliche Aufgabe erfüllen kann, argumentiert der Landwirt: „Deshalb freue ich mich über die 61 Cent Milchgeld, die ich gerade bekomme, und halte sie für absolut gerechtfertigt – ob es dem Ifo-Professor passt oder nicht.“