Manfred Wercham 1953 - 2020

Manfred Wercham, WilhelmsaueManfred Wercham, WilhelmsaueIhn als Urgestein zu bezeichnen, würde dem frühen Verlust nicht gerecht: Manfred Wercham, Vorstandsmitglied des Bauernbundes Brandenburg, wurde nur 67 Jahre alt. Ständiger Wegbegleiter trifft es vielleicht eher: der Bauernbund ohne Manfred, das ist nur schwer vorstellbar, vor allem weil man es sich nicht vorstellen will. Als ich 2004 dazustieß, war er schon lange da. Sein Wort hatte bereits damals Gewicht – und er nahm kein Blatt vor den Mund, sondern brachte die Themen in seiner bodenständigen Art auf den Punkt. Sich in den Vordergrund zu spielen, lag ihm fern, um so zuverlässiger hat er mitgearbeitet, um so beharrlicher für unsere Ziele gekämpft. Auf Manfred konnte man bauen, ihm konnte man zu hundert Prozent vertrauen.

Manfred stammte aus einer seit 1772 im Oderbruch ansässigen Bauernfamilie. Schon zu DDR-Zeiten betrieb der Schlossermeister mit seiner Frau Monika auf dem kleinen Loose-Gehöft in Wilhelmsaue eine ausgedehnte Nebenerwerbslandwirtschaft. Nach beruflichen Stationen Manfreds beim Agrochemischen Zentrum Letschin und in den regionalen Zuckerfabriken starteten die beiden 1994 in den Haupterwerb mit zunächst knapp 100 Hektar Acker. Durch fleißiges Wirtschaften und bescheidenen Lebensstil gelang es der Familie, sich gegen die großen Nachbarn zu behaupten. Nach und nach wuchs der Betrieb auf rund 250 Hektar. Dabei kam es Manfred nie auf Höchsterträge an („Ich arbeite für Geld, nicht für Weizen“) und er hatte seine ganz eigene Kostenminimierungsstrategie („Der Winter ist zum Schrauben da“). Ich erinnere noch, wie wir beim Herbsttreffen 2007 auf seinem Hof staunend vor günstig erstandener Alttechnik und pfiffigen Eigenkonstruktionen standen. Was letztlich eine solide Grundlage dafür schuf, dass sein Sohn Lutz beim Einstieg vor zehn Jahren dann doch gleich einen neuen Fendt Vario fahren durfte. Mit Stolz begleitete Manfred die weitere Entwicklung des Betriebes: selbst wenn Hightech nicht seine Welt war, waren sich beide Generationen einig in einem kompromisslos guten Ackerbau mit vielfältigen Fruchtfolgen und ausgefeilter Bodenbearbeitung.

Dass der Bauernbund im Landkreis Märkisch Oderland mit 63 Mitgliedern fast die höchste Mitgliederdichte landesweit aufweist, liegt zu großen Teilen an Manfreds Vorbildwirkung und seinem unermüdlichen Engagement für Berufsstand und Heimat: Immer wieder meldete er sich unerschrocken zu Wort – auf Versammlungen und Demonstrationen, gegenüber Politikern und in der Presse – stritt vernehmlich und unbeirrbar für leistungsfähige bäuerliche Familienbetriebe und gegen die Verödung der Dörfer durch Großagrarier und Investoren, für ein lebenswertes Oderbruch und gegen überzogene Naturschutzauflagen, Vernässungsprojekte und die Ausbreitung des Bibers, für eine gesunde Landwirtschaft und gegen Konzernmacht, Gentechnik und CO-Speicherung. Als nach jahrelangem Ringen gegen die Landesregierung der CO2-Speicher im benachbarten Neutrebbin endlich abgewendet war, legte Manfred nicht die Hände in den Schoß, sondern war einer der wenigen aus dem Oderbruch, die Jahr für Jahr an die hundert Kilometer entfernte Lausitzer Tagebaukante fuhren, um dort den Kampf gegen die Verwüstungen durch Braunkohle fortzusetzen. Auch diese Konsequenz war typisch für ihn. Wenn er von etwas überzeugt war, dann richtig.

Zuallererst war Manfred überzeugter Bauer. Das Arbeiten in Gottes freier Natur mit allen Mühen und Freuden, das war sein Element. Noch in diesem Frühjahr hat er den brandenburgischen Agrarminister Axel Vogel bei Kaffee und Kuchen auf seinem Hof davon zu überzeugen versucht, dass eine extensive Landwirtschaft auf den ertragreichen Ackerböden des Oderbruchs Sünde wäre. Am 15. August, die Ernte des Jahres war weitgehend eingebracht, ist er eingeschlafen und nicht wieder aufgewacht.

Reinhard Jung