Wie wir gesellschaftliche Akzeptanz für Tierhaltung zurück gewinnen

Reinhard Jung bewirtschaftet 30 Hektar Grünland und hält 15 Mutterkühe sowie Mastrinder der Rasse Deutsche Rotbunte in Lennewitz in BrandenburgReinhard Jung bewirtschaftet 30 Hektar Grünland und hält 15 Mutterkühe sowie Mastrinder der Rasse Deutsche Rotbunte in Lennewitz in BrandenburgAls bäuerliche Tierhalter fühlen wir uns zu Unrecht pauschaler Kritik ausgesetzt. Aber reagieren wir vernünftig darauf? Wenn wir in dieser Auseinandersetzung bestehen wollen, dürfen wir nicht länger so tun, als hätte die Diskussion über Massentierhaltung nichts mit Tiermassen zu tun.

Man kann hundertmal sagen, Massentierhaltung sei kein wissenschaftlicher Begriff. Trotzdem gibt es ihn. Er wird durch Kritiker von Stallbauvorhaben vor allem da verwendet, wo sehr viele Tiere an einem Standort gehalten werden sollen und – ehrlich gesagt – genau da passt er. Deshalb ist es nicht nur falsch, sondern sogar gefährlich, der Kritik an Massentierhaltung ausschließlich mit dem Hinweis auf das so genannte Tierwohl zu begegnen. Große Ställe seien heute besonders tiergerecht, höre ich häufig. Mit dieser Argumentation schaden wir uns selbst, und zwar aus zwei Gründen:

Erstens, weil Politik, Verwaltung und Wissenschaft das Thema Tierwohl begierig aufgreifen und daraus immer höhere, teurere Anforderungen für die Tierhaltung ableiten, denen immer weniger Tierhalter gerecht werden können oder wollen – Mindeststandards, Betreuungsschlüssel, Kontrollintervalle, Sachkundenachweise, Fortbildungspflichten ... ein Ende der Bauernquälerei ist nicht in Sicht.

Zweitens, weil das Thema Tierwohl im Dialog mit einer der Landwirtschaft weitgehend entfremdeten Gesellschaft absurde Blüten treibt. Da wird etwa das Enthornen von Kälbern zur grausamen Verstümmelung ... und, fast schon tragisch, in vorauseilendem Gehorsam bemüht sich die Rinderzucht sogleich um genetische Hornlosigkeit, als gäbe es keine wichtigeren Zuchtziele. Wer sich ständig gegenüber praxisfremder Gefühlsduselei rechtfertigen muss, verliert irgendwann selbst den Überblick, worauf es ankommt.

In der Diskussion über Massentierhaltung wird derzeit viel durcheinander gebracht. Deshalb sollten wir sauber unterscheiden zwischen dem Aspekt des Tierwohls und dem Aspekt der Agrarstruktur.

Beim Tierwohl dürfen wir keinen Zentimeter nachgeben. Wie es den Tieren geht, ist seit jeher unsere Angelegenheit als Bauern und kann auch nur von uns beurteilt werden. „Das Auge des Herren mästet das Vieh“ – diese Volksweisheit besagt treffend, dass der Tierhalter schon immer ein persönliches Interesse am Wohlergehen seiner Tiere hatte. Würden wir uns nicht um unsere Tiere kümmern, würden sie keine Leistung bringen und wir wären pleite.

Daraus folgt zwar, dass wir offen sind für Verbesserungen, soweit diese sich praktisch und wirtschaftlich umsetzen lassen. Es bedarf aber keiner Reglementierung über das Tierschutzgesetz hinaus. Im Gegenteil, jedes zusätzliche Regelwerk würde diejenigen Vermarktungsprogramme schwächen, die besonders hohe Anforderungen an Tierhaltung stellen wie Ökolandbau, Neuland oder Weidemilch.

Bei der Agrarstruktur kommen wir zum eigentlichen Problem der Massentierhaltung. Hier ist festzustellen, dass Tierproduktionsanlagen nicht mehr in jeder Größe von der Bevölkerung selbstverständlich akzeptiert werden. Gegenwind gibt es zunehmend von ganz normalen Dorfbewohnern, die sie einfach nicht in ihrer Nachbarschaft haben wollen. Es ist nunmal nicht zu bestreiten, dass sehr viele Tiere an einem Standort gleichbedeutend sind mit sehr vielen Emissionen und mit sehr viel Verkehr.

Auch wir Bauern können kein Interesse an sehr großen Tierproduktionsanlagen haben, weil diese die Agrarstruktur verschlechtern durch Konzentration von wirtschaftlicher Macht, oftmals verbunden mit einem ungünstigen Verhältnis von Fläche und Tierbesatz oder mit einem hohen Anteil von außerlandwirtschaftlichem Kapital. All dies sind keine positiven Entwicklungen für unserem Berufsstand.

Deshalb müssen wir über Obergrenzen reden, auch wenn diese schwierig zu definieren sind. Denn wer will schon festlegen, wo bäuerliche Tierhaltung aufhört und Massentierhaltung beginnt?

Vielleicht sollten wir nicht mit der Definition anfangen, sondern uns zunächst vergegenwärtigen, dass wir nicht allein auf der Welt sind. Es gibt kein Menschenrecht darauf, 10.000 Schweine zu mästen. Und es gibt auch keine moralische Verpflichtung für einen Dorfbewohner, die unmittelbare Nachbarschaft von so vielen Tieren als Bereicherung des Landlebens zu empfinden. Es gibt einfach einen Interessenkonflikt.

Dadurch, dass wir Ställe im Außenbereich bislang unabhängig von der kommunalen Bauleitplanung bauen dürfen, sind wir in diesem Interessenkonflikt großzügig privilegiert. Wir sollten das für alle Betriebe bedeutsame baurechtliche Privileg nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, indem wir den Bogen überspannen. Es ist niemandem mehr zu vermitteln, dass für zehn Einfamilienhäuser ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss, für Ställe mit dem Ernährungs- und Verdauungsvolumen einer Kleinstadt aber nicht.

Sehr große Tierproduktionsanlagen dürfen auch jetzt schon nur nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung gebaut werden. Hier gibt es also bereits Obergrenzen, die plausibel auf das Baurecht ausgeweitet werden können. Für Ställe mit mehr als beispielsweise 300 Kühen, 3.000 Mastschweinen oder 80.000 Masthähnchen müsste dann ein Bebauungsplan aufgestellt und durch die Gemeinde genehmigt werden. Es wäre zwar nicht unmöglich, allerdings erheblich aufwändiger und mit sehr viel mehr Unsicherheiten behaftet, noch größere Ställe zu planen. Aber wäre das wirklich schlimm für unseren Berufsstand?

Wer mit seinen Tierzahlen darüber liegt, hätte ohnehin Bestandsschutz – und müsste sich künftig weniger sorgen, von einer immer schneller wachsenden Konkurrenz eingeholt und überholt zu werden. Auf diese Weise sinkt der Preisdruck für alle. Die Ankläger der Massentierhaltung würden zwar nicht gänzlich verstummen, aber sie hätten eine geringere Resonanz, weil die Nachbarschaftskonflikte in den Dörfern entschärft wären. Und schließlich: Es soll tüchtige Bauern geben, die mit deutlich weniger als 300 Kühen, 3.000 Mastschweinen oder 80.000 Masthähnchen gutes Geld verdienen ...

Wenn wir die Kritik an Massentierhaltung ernst nehmen, können wir bäuerliche Tierhaltung glaubwürdig verteidigen. Wir gewinnen gesellschaftliche Akzeptanz zurück und wir bewahren uns zugleich die Freiheit, unsere Tiere so zu halten, wie es uns gefällt.